… Hinter einem Restaurant waten wir, die Flip-Flops in der Hand zu einer kleinen Longtailschaluppe, die sich schleppend gegen die Wellenkämme aus der Bucht entfernt und sich an der Küste haltend vorbeischippert an abenteuerlichen Felsformationen und unerforschten Höllen, durch die Jahrtausende hinweg ausgewaschen von Millionen von salzigen Wogen.
Die Erinnerungen an meine Tage in Railey verblassen langsam. Ein steiniger Weg, der zu unserer Bungalowanlage, kleine Zweimannflachbauten, ausgestattet mit einem geräumigen Bett, Dusche und europäischer Toilette hochführt, vorbei an einigen Shops und Restaurants, Urwald und Bauzäunen. Weißer Sand, der sich bei Flut unter einer Decke aus friedlichem Azurgrün versteckt, Liegestühle unter Palmen (Bedauern über einen fehlenden bouquin). Ein mit feinem Sand und Muscheln bedeckte Küstenstreifen, deren Untergrund bis in einen kleinen Fußwegs, getragen wurde an dem, gegenüber einer Hütte mehrere aus Bambusstäben zusammengenagelte Pavillons stehen, die Schatten spenden für begeisterte ihren Bananenmilchshake schlürfende Kletterer.
Bei niedriger Tide kraxeln wir über rissiges Gestein durch von Algen bewachsene Felsbecken, in denen sich das Wasser sammelt, klettern über Steinformationen hinweg auf unserem Weg nach Railey.
Die Dämmerung hält früh Einzug in diesem Teil der Erde. Der Mond, ein runder leuchtender Ball am finsteren Himmel, mit all seinen Nuancen von Hellgrau und Weiß, schien hell in dieser Nacht, in der wir bis spätabends aus großen von Strohhalmen und Eis überquellenden blauen Eimern Whiskey mit Red-Bull tranken, die grüne Plastikblumen zierten, Weich und gemütlich unter mir nach gab das Bett unter mir nach, nachdem ich relativ früh, leicht schwindelnd im Kopf von der Gesellschaft verabschiedet hatte. Konfuse Irrlichter geisterten in dieser Nacht durch mein Hirn, in der Umwölkung eines Traumes flaniere ich auf dem schmalen Grad zwischen Realität und Fiktion, wandle ich umher auf dem kleinen asphaltierten Pfad zwischen den Ferienapartments, während der Mond in seiner vollen Größe über mich wacht, langsam weicht die Trübung meiner Sinne, ein einsamer Rückkehrer wendet sich im Vorbeigehen besorgt um zu diesem einsamen Wanderer, der einzig bedeckt mit einer Boxershorts verwirrt in einem Zustand völliger Verwirrung zwischen den Welten spaziert. Die Türe ist verschlossen, vielleicht für Stunden saß ich auf einem Plastikstuhl auf der Terrasse vor dem Haus, verrückt in einer anderen Wirklichkeit, unerreichbar für unseren Wirkungsbereich. Dann hüllte mich die Angst des Wirrsals ein. Fragen, die sich ein Traumwandler stellt: „Wie komm ich hier her?“, „Wie finde ich zurück?“, „Wie komme ich dorthin zurück, von wo ich gekommen bin?“. Aufgelöst, noch nicht in der Lage, dass Geschehene zu realisieren, klopfe ich an der Türe, die ich für die richtige erachte. Welche der emaillierten Chiffren führt mich zurück? Ein verschlafener in seiner Nachtruhe gestörter Bobby öffnet mir, mürrisch weißt er mir den Weg. Ein zerzauster Jakob, resignierend gegen diesen Eindringling seiner Rast entriegelt das Tor zu meinem tiefen Hingang.
Am frühen Mittag sitze ich im Schatten von Palmen, beobachte einen erneuten Umschwung der Gezeitenströmungen, eine sachte Versenkung in das Näherrücken der Brandung. Ein heiliger Platz, einiger der wenigen Orte an dem ich inmitten dieses ungenutzten Urlaub Erholung finden soll. Das Sich Sammeln hat seine Zeit, in diesen Tagen in Einklang mit der empfangenen Erde zu stehen fällt schwer, Kreativität dort zu entwickeln, wo keine Leidenschaft, kein Handeln vorher war scheint unmöglich. In diesem Umfeld mutet es nutzlos an, Thai-Vokabeln Phasen einer Sprache zu sprechen, deren Bevölkerung so weit von ihren Wurzeln entfremdet wurde. Ich suche Nutzen in diesem Leben, am Nachmittag biete ich mich einigen jungen Frauen an, Knoblauch mit ihnen zu schälen. Die Leute verstehen nicht. Verdammt zum Konsum, zum Empfangen, dort wo das eigene Glück im Geben liegt. Der Strand verliert immer mehr an Substanz, wird geschluckt von den Gezeiten. Jakob setzt sich zu mir, wir gehen unserer Wege. In diesen Tagen verenden meine Flip-Flops, beim Patschen durch einen Tümpel, den rechten Fuß mit dem linken gleichziehend. Ohne Sohle überquere ich einen Berg durch einen Urwald wandernd. Beim Abstieg bin ich gezwungen mich an einem Tau festzuklammern, mehr rutschend als schreitend, trippelnd und tänzelnd, stolpere ich das Gefälle herunter, während mir kantige Kiesel und zackige Felsbrocken in die Füße schneiden. Auf ein Fallen des Wasserspiegels wartend, verbringe ich die Zeit auf der Weidenmatte einiger Angestammter, die mich nicht ohne Hintergedanken zu sich einladen und mein Dasein akzeptierend, es schließlich aufgeben mir ihre Fußmassagen verkaufen zu wollen.
Am Abend wird Railey zu unserem Gefängnis, als der einzige steinige Küstenweg zu unserer Heimatbucht sich unter der Dünung verbirgt. Warten: Das rechte Gleichgewicht will sich nur schwer einstellen. Auf einer Kaimauer, die sich über dem Linie aus Sand erhebt, vor einem weitläufigen Resort, dessen Liegestühle sich menschenleer aufreihen, berichten Jakob und ich uns von unserm Leben in Deutschland, in unserer Mitte eine schmale gewölbte Flasche bräunlich glänzenden Thai-Whiskeys. Am nördlichen Küstenstreifen, an dem Wasser bis an den schmalen Gehsteig platscht, da wo sich die Touristen tagsüber zwischen entgegenkommenden Menschen und den Eingängen der Gaststätten und Lokale hindurchzwängen, gibt der Rückgang der Tiede einen dunklen Morast frei, in dem ein paar verlassene Mangroven ihr verästeltes Wurzelwerk eingegraben haben. Zu einem Zeitpunkt, in dem auch die letzten Bars zugeriegelt, das letzte Restaurant seine Gäste entlassen hat, trifft man einzig eine Gruppe betrunkener Amerikaner auf dem Heimweg, zu dieser Uhrzeit in dem diese Stadt in Leblosigkeit versinkt, die Fassade des Parallelkosmos zerbröckelt da die Subjekte, die diesem Ort ihren Stempel gaben sich in ihren Hotels befinden, ihren Kopf auf weiße weiche Kissen gebetet.
Erst gegen neunzehn Uhr erreichen wir Hat Yai, zu spät für einen Minivan nach La Ngu. Barfuß ziehe ich hinter dem Trupp von Freiwilligen her, die dieser Nächte Unterschlupf finden, bei der Familie von Alif. Ein kleiner gefliester quadratischer Raum, an dessen Rückseite ein Durchgang wahrscheinlich in einer Kochnische mündet. Am Platz knien an die zehn Personen im Kreis, oder sitzen auf dem einzig verfügbaren Sitzmöbel, einem ockerfarbenen Sofa mit Stickereien, die Szenen eines Dorflebens zeigen, im Kreis, in ihrer Mitte ein Stapel Fotographien, dessen oberes Aufnahme eine Familie vor einem Wolkenkratzer. Während ihres Urlaubs in Malaysia zeigt. Vor dem Wohngebäude sind auf einer metallenen Tonne Plastikflachen gefüllt mit Gasolin platziert. Ein Kind betritt den Räumlichkeit von der Kehrseite, eine Kasserolle mit Reis und ein Tablett mit diversen Schüsseln mit Curry, gebratenem Fisch und Omelette tragend. Später gen Tagesende sitze ich umringt von Töpfen mit Knetmasse, nächst zu verknöcherten Frauen voller tiefer Mulden im Gesicht, die sich über mich erheiternd, für die ich kleine Runde Kügelchen schwarzer zäher Masse in einen mehlig süßen Teig einrolle.
Über die schmutzige Straße pilger ich mit nackten Füßen zum Markt, auf dem ich schließlich neue Flip-Flops erstehe. Einen Plastikbecher Eistee, diese übersüßte Huldigung an die Kondensmilch, aus dem ein rot-weiß gestreifter Strohhalm ragt in der Hand lassen wir uns von der Energiewelle dieses Ortes mit spülen. Bündel von Bananen, die von den Unterständen der Gemüseverkäufer herabhängen, riesige Knäuel intensiv duftenden Tabaks, lederne Brieftaschen gefälschter Herkunft, kleine Plastikschalen, mit Kleinoden und Plunder vollgestopft: dreiteilige Packungen Feuerzeuge, Schlösser, Taschenspiegel, Küchenbesteck und –gerät (Messer, Gabel, Löffel, Flaschenöffner, Büchsenöffner Handreiben und Stößel), Heimwerkerausrüstung (Zangen, Handbohrer, Schraubenzieher, Schmieregelpaper, Hämmer, Nägel), Wörterbücher im Taschenformat, Gewürze und Gemüse, Cola und kolorierte Limonade, DVD Verkäufer, Schuhverkäufer, Bekleidungsverkäufer…
Ansonsten gibt es wenig mehr zu berichten mit Ausnahme von fehlgeschlagenen Versuchen Geld abzuheben und einem Ausländerzuschlägen bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel.