Being And Time
21. Juni 2011

Die Nutzung von Kulturstätten ist  in Thailand ökonomischer, niemals  bildungspolitischer Natur. Geschichte wird in Englisch aufgearbeitet. Blick die Bedürfnispyramide abwärts, Bildung selbst mit der Luppe nicht zu erkennen. Die Beschäftigung mit nationaler Tradition obliegt  dem Ministerium. Sie wird nicht kommuniziert sondern bürokratisiert.   Das zerschnittene rote Band während der Deklaration eines neuen Kulturlandes ist Faden der Haushaltsstrategen. Archäologie  als Wirtschaftsfaktor.  Ausgegraben für Niemand.  Zu Grabe getragen durch den (Mangel an) Touristen. Misslingen der Marktforschung.  Kultur und Natur können nur als Gegensatzpaar gedacht werden. Man überdenke den Kausalzusammenhang zwischen dem Schlaf des Parkwächter  und dem der Steinhaufen, entschlummert  in Moosdecken.

Die Weiterfahrt nach Sangkhlaburi ging unter im ewigen Wummern des Motors zwischen den Kupplungen. In ein Zeitloch gefallen. Ich dachte an Sisyphus und wie der Nachmittag vor mir davonrollte. Im Minibus die Bewegungen weniger ruckartig, sanft das Licht, dass die Spiegelfläche der weiten Waserfläche überflog. Die Landschaft und der Sprung aus der Realität. Vereinzelt angeschwemmte Fischerboote, lächerliche Versuche zur Etablierung menschlicher Zivilisation. Hier lag alle Ontologie der Natur. Die Szenerie abgeglitten in die Spiegelung des Wassers. Geknitterte Aluminiumfolie, die Reflexion des Himmels umgeben von der dunkle Moosfläche die sich über die Berge spannte.

Von den Bergen in die Stadt gefallen. Ich suchte nach keinem Gasthaus. Herauf, herunter die Strassen. Über der Ebene Glas, in der vereinzelt das Licht der Uferbeleuchtung abglitt, spannte sich die Holzkonstruktion der Brücke als Einladung zur anderen Seite. Aus der Höhe das Ziehen der Wellen, die der Wind streichelte. Tiefe Verwirrung, Orientierungslosigkeit, aus den Strassen die Musik der Karaokebars. Das hohe Grass des nachtfeuchten Auestreifens. Schliesslich: der Umriss einer Stupa im Hintergrund, das Ballern der MG’s im Fernsehen als unbeteiligter Schall von den schwimmenden Häusern. Vernommen, ihre Ausrufe menschlicher Regungen, erspürt ihre Anthropologie. Ohne Anzuklopfen. Das Pixelgewirr des Bildschirms und dann und wann ein Schatten. Motorengeräusche der Boote, die sich nur im Mondlicht aus der Dunkelheit schäten. Manchmal ihre ausgesendeten leuchtenden Finger, die mich ertasteten. Wolken, die der Vollmond scharf vom klaren Himmel absetzte. Blitze über fernen Bergen als unbeteiligte Drohung. Wie Regen unter dem Vordach der Veranda.

Am Morgen das bleiche Rot der Sonne hinter den Nebeln erspäht. Seine Finger, die sich ausstrecken um das Tau zu trocknen. Die feuchte Erde auf meinem Rucksack. Das fröstelnde Bibern im Wollpullover erstickt. Dem überraschten Winken der ersten Schaluppen entkommen. In den Tempeln schenken mir noch nicht einmal die Hunde Beachtung.

Über das Heben und Senken der Strasse in das beginnende Leben. Mon refuge. Die Zeit nach der man das Exil nicht mehr hinterfragt. In den Gesichtern liegt das Gedenken in der Wärme der Augen. Der Stolz auf Autonomie und Andersartigkeit. Kaffee und Gebäck in der Lebendigkeit der Markthallen. Die Rücksichtnahme und Höflichkeit gegenüber Fremden, die ihnen selbst nicht zu Teil geworden ist. Das Erstaunen darüber, wie sich die vertrauten Puzzleteile der  Landschaft von Tag und Nacht ineinanderfließen. Ähnlich der Nachtdimension, die einem erst das Déjà-vu des Tages zu entschlüsseln hilft.  Das Holztrapez dass das Tal überspannend dem Raum zur Weite verhilft. Unterhalb der Berghänge ein blaues Schlängeln zwischen den Windungen der Auen. Die Geruhsamkeit der Häuser in ihrem Bad im Wasser korrespondiert mit der Ruhe spätmorgendlicher Gesichter. Bis zum Abend mit dem Strom der Fahrzeuge auf dem Rückzug in den Regen der Wasserpistolen und zur grossen Hedonismusschlacht.

Zaqqum Und Sephiroth
7. Juni 2011

Sich treiben lassen, ohne getrieben zu sein. In die Realität der nächsten unaufgeräumten Persönlichkeit. Aus dem Augenwinkel: die Gewohnheit, sich gefährlich nähernd. Und niemand schafft die Flucht… Die ersten Hilfestellungen, die ersten Krücken: Müdigkeit, Ermattung. Statt mich abzuschießen, schieße ich mich heraus: in die Fremde, den nächsten Wahnsinn. In meiner Rakete mit Dieselmotor. Völlig losgelöst. Ausgekotzt, entstaubt, Frühjahrsputz: Es geht voran. Landkarten erleichtern nicht unbedingt das Reisen. On the road again: der Rucksack als behagliches Gewicht auf meinen Schultern, snail alike.

Kanchanaburi als Versprechen an das Auf-Sich-Allein-Gestellt-Sein. When you got nothing, you got nothing to loose. „Hier entsteht eine historische Spielwiese.“ Selbst in den Gräbern visiert von den Kameras der Japaner, deren Vorfahren sie unter die Erde schaufelten… Als vor der Brücke am Kwai noch der Tod und kein Touristenführer wartete. Following the neon lights to the next hostel. Aus den Gasthäusern weht Geschichtsvergessenheit wie der Gestank nach ranzigem Bier oder klebrigem Achselschweiß. Vielleicht liegt hier die Kontinuität: Arbeitslager des Libido – Bikinistreifenflucht. Farangkuriosum in der einzigen Disko der Stadt: ein Minimum an Gesprächen gibt Zeit zum Trinken.

Friss die Konsequenzen: Schlafentzug. Die Absätze von Stiefeln, die über meine Gehirnbahnen trampeln. Ein Untoter auf der Suche nach Soldatenfriedhöfen. Die Wirklichkeit auf die Zweidimensionalität des Suchers reduziert. Im Bus holen mich schlechte Erinnerungen in Gestalt eines Alkoholikers mit Mundgeruch ein.

Living is a fairytale. A fairy tells you how to live. Die Elfenesoterik eines Meditationszentrums. Das gesäuselte Falten der Hände. Coen Rezitation drängen sich auf: Die Rettung des Dharma des Delinquenten. Die Unschuld kleidet sich in wallendes Weiß, because… Fashion follows spirituality. Lembasseligkeit. Auch das Paradies besitzt einen Dresscode.

Stunden in Augenblickschleifen gefangen. Ein Zeitintervall gewölbt an der Flussbiegung. Und das Tal in Dämmern getaucht: Folge der Raumzeitkrümmung? Wir ruhen erhoben unter der Natur und die Natur, sie erhebt uns im nächtlichen Sturm zu aufmerksamen Kleinkindern. Besinnung in sensation. Tropfen und Platschen und Wummern und Krachen: Das Orchester der Natur fordert seine Vollbeschäftigung zurück.

Um drei Uhr morgens: das Aufflackern menschlicher Existenzen, wie Inseln in der Dunkelheit. Die Feierlichkeit des Schweigens auf dem Weg zum Tempel und nur der Gong der als Metronom in meditativem Gang mit uns schreitet. Den Worten durch die Rezitation ihr Wesen verliehen. Getragen von dutzende Stimmen. Im Raum durch Brechung vermehrt. Das Lauschen: unbewegt in deiner Bewegung. Formst mit deinem Kehlkopf  das klingende Wort . Du wirst  geformt aus Klangkörper und Resonanz. Das „Yo So Bahgava Araham Sammäsambuddho“  schwebt als Hall durch deine Seele. Die Melodie als selbsterklärende Übersetzung. Langsam gleite ich aus der Dimension. Die Rhythmik der Bewegung als Abgleiten aus Raum und Zeit. Eine Verschiebung des Selbst, die einen auf die Bewegung im Moment reduziert.

Das weisse Leuchten der Stupa in der Baumwipfellandschaft beinhaltet eine Aufforderung. Weiße Wände, Wind. Glockenspiel. Stille, die den Raum füllt. Stille, die an Stofflichkeit  gewinnt. Consciousness is created through non-existence.  Agieren ist Energieaustausch. Am Ende der Reaktionsequationen:  das Sein. Eine Holzpagode getragen von den Kronen der Bäume, sich als grünes Ensemble der  Mächtigen unter mir ausbreiten. Himmel und Erde streben an den Gipfeln ihrer Umarmung entgegen und scheiden sich an ihrem unbewegten Kraftfeld.  Am Morgen bedarf es keines Blicks in den Spiegel, um sich seiner Existenz zu überzeugen. Alles unterwirft sich einer langsam fallenden Bewegung.

Der Tag bettet mich an seine Ufer, als Treibgut in den Abend gespült. Abnahme und Zunahme der Gezeiten aus Licht und Dunkelheit. In seinem Pyjama gleitet man ins Sterbebett. Und wartet unterwürfig des neuen Anfangs. Wir fürchten des Traumes grossen Bruder. Die Ruhe zur Zeit des Moll Akkords: Die nachdenkliche Tonalität des Abendgesangs. Gedämpfter, der Hall in der Festigkeit der Finsternis. Lauschend dem Geräusch der Destruktion des Tages. Der Abend ist wie eine Aufnahme des Sonnenaufgangs, auf Startposition. Ein Spiegelbild am Nullmeridian mit kraftvolleren Rottönen.

Den weissen Stoff der Gewänder im Bagpack  vergraben.  Die Ausgeglichenheit in den Untiefen Gedächnises verpackt. Auf dem Highways niemals auf der Mittelspur gefahren. Erfahrungen wie Krankheit ausgeschwitzt. Ying und Yang solange gefoltert, bis sie die Existenz des Taoismus leugneten. Heute arbeiten die beiden bei McDonalds, immer auf Opiaten und Schmerzmittel. Manchmal schenke ich ihnen eine frische Injektionsnadel. Die Jugend braucht keine Ruhe, die Jugend braucht Revolution. Als Anhalter  die Fahrzeuge mit dem Mittelfinger herangewunken. Ein Fluchtfahrzeug mit Twentysomethings aus Bangkok.