Crépuscule

Ramadan kam mit der narkotischen Wirkung sonnengereifter Tage. Eine Besinnung auf die Endlichkeit, schöpft man die Tage aus dem Brunnen, Mägen entfalten sich in Bedachtsamkeit.  Mit seiner Ankunft waren die Kinder auf dem Sportfeld erschöpft hinter der Ziellinie zusammengesunken. Wir hatten durch den Jubel des Regens hindurch applaudiert, während die Energie von Läuferfüssen durchnässte Erdklumpen in die Luft gerissen hatte. An den gelben T-Shirts leuchteten die gelben Flecken als triumphierende Beweise des Ehrgeizes. Der Spätnachmittag ankerte im Hof der Schule mit klebrigen süßen Reis und das Aroma der Durianfrucht, während der Ballast der Medaillen die Kinder dem Abend entgegen fliegen ließ. Im Schatten der Bäume fingen sich verirrte Strahlen, die auf den Prismen freundlicher Antlitze in ihre Spektralfarben aufgingen. Die Energie des Lachens rennender Kinder half den Tag zu verlängern, das milde Licht ein wenig länger an uns zu binden, als es hing, verspielt, auf glücklichen Gesichtern und zwischen den Fußballspielern wandelte.

So sein wie ein Sommertag einen Sommertag sieht. In der Luft schwirren, wie ein hohes Zirpen. Die alltäglichen Verrichtungen schwingen die Stunden zur Gelassenheit hin, bis zur letzten Aufwallung des Pulsschlages der Sonne. Man nennt das nicht wirklich dösen, wenn man sich bewusster selten wahrgenommen hat. Morgens verteile ich Streicheleinheiten, der Besen pendelt dabei über die Hanfmatten, wie um die verbleibende Zeit festzustellen. Die letzten zwei Wochen als eine einzige langanhaltende portato langsam in die Leere gleitende Note, in der man in fröhlicher Wehmut rückwärts zu schwimmen beginnt. Am Grund: Die Stille lauer Nachmittage, ein Lautenspiel, das wie ein neu entdeckter grüner Trieb im Garten flüchtig berührt, in dem sich der geglückte Ton schaukelnder Kleeblätter erklärt.  Was ist der Kern lächelnder Schwermut? Die augenblickliche Betrachtung meckernder Ziegen, die die Last ihrer Pflöcke nicht zu bemerken wissen, das Klickern der Boulekugeln, ein Muster aus Furchen, mit dem Rechen in die Erde gezeichnet, so grundlos wie Kornfeldkreise. Das offene Blühen der Tage, ihre Sprache in ruhendem Zugegensein schweigend, sie weltet be-lebt, ent-spannt im Ende.

In Dunkelheit aufzustehen, mit verändertem Wirklichkeitsgefühl. Die Nacht durch-stimmt von intensiver Tonalität. Eine dickflüssige zerflossene Stofflichkeit, ungerichtet im Nichtraum wesend. Dann: das Stampfen und Zischen der Ventile, dass den Kosmos durchwirbelte, das grellende störende Anfluten der Strahler. Der Lastkraftwagen rollte wie ein Mondfahrzeug über die Körperlosigkeit der Fahrbahn. Es war fünf Uhr morgens.

Die Garnelen ergossen sich über den Tag, sie versammelten die Stunden in schweren Körben. Am Vormittag vereiste die Klaustrophobie des Kühllasters die Zeit. Millionen von winzigen blassen Körpern, im Eis zitternde Leichen, die die Männer mithilfe riesiger Schaufeln verschütteten. Bevor die Flut zierlicher Leiber auf die Werktische schwimmen würde, dämmerten  Bang Hed und ich am Mittag im Schatten auf den riesigen Deckeln der Wasserbehälter. Die Garnelenfarm: Wie ein riesiges unnützes leeres Schwimmbecken. Gespannte Netze, die riesige Beben an die Wasseroberfläche zogen. Ein wildes, ein glänzendes rosa Zucken, eine Landschaft verzweifelter nackter Rümpfe, deren schwarze Knopfaugen leer und stumpfsinnig starrten. Wolken gewaltigten sich zu körperhaften Drohungen, die uns unter die Zelte peitschten. Am Draht kämpfte sich zu den Glühbirnen: Ein kraftloses Licht. Die Finger der Arbeiterinnen gruben sich wie eine mechanische Körperschaft durch das zappelnde elliptische Getier. Eine Körperschaft, die das Warten in einen kollektiven Betriebsausflug verwandelte, mit Picknickdecken, Bingo spielen und riesigen blubbernden Töpfen Currys.

Schließlich: mein Körper, der sich dem sich herabsenkenden Lastkraftwagen überantwortete. Von seinem Rücken bestaunten wir das Heranrücken des Feierabends, der die Kinder von der Schule auf ihre Fahrräder hob. Wenn ich in die Luft gegriffen hätte, vielleicht hätten mich die Strommasten gekräftigt. Ich warf mich von der Ladefläche, schleppte einen müden Körper dem Klingeln der Kinderschreie voran.

Auf Koh Lidi welten die Wellen sanft gegen den taumelden Strand und zählten für mich leise verflossene Wasser. Der Abend strömte mit der ersten Dose Bier in den Körper, eine sachte Berührung der Blutbahnen. Die Finsternis bettete ein Feuer in den Sand. Die Köpfe atmeten schwer, so sehr wendeten sie sich dem Leben zu. In der Nacht tanzten wir uns in die kalte See, entwogen in der Strömung jeder Last.  Ich schlief mich in den Strand und erwartete so das Entschlafen eines nächtlichen Nieselns.

Am Morgen fühlte ich Sand in meinen Haaren, fühlte den Tag sich seiner Wesenhaftigkeit bemächtigen. Hinter einem kleinen Pfad fanden Olivier und ich Klippen, das weißliche Schimmern der Gischt, verströmt von den Düften der Felsen, rauschendes Sommergras, sich der Bewegung eines Windstoßes hingebend und ein Anbranden von Sehnsucht, dass ich in einer flüchtigen Farbabstufung des Blaus wiedererkannte. Wir kehrten zurück, dem Lauf der Flut folgend, so die die Abende in Kok Payom in der empfindsamen Regung des „Allãhu akbar“ hinaus glitten.

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