Escaping From Dogville

Inseln fordern immer Erkennen ein. An den Stränden vom Lebensvollzug winzig gedachter Steine. Sand ist die letzte Notwendigkeit. Sand ist die Illustration der Notwendigkeit des Prozesses, der Unausweichlichkeit des Vergehens, der Hingabe zum Dasein. Das Meer spült Sand als blutige Warnung auf den Opferschrein. Sand weiß um das Martyrium der vierten Dimension. Meine Fußsohlen, die sich ins Leben graben: Heiße Erde.

Ko Lipe, weit draußen auf dem Meer, ein Eiland, das zwischen Korallen schwimmt, auf durchsichtiger Cellophanverpackung im Sonnenlicht dahin flimmert, mit stabilen Tauen aus Sand vertäut. Jeden Morgen um neun verlassen braungebrannte Menschen die Insel und gegen vierzehn Uhr schwemmen neue Koffer auf die Insel, um ihren Besitzern in die Resorts und Gasthäuser zu folgen. Davon abgesehen hilft nur die Sonne am Tag festzuhalten, die in den Mittagsstunden über unserer Bucht ankert. Und wohin die Koffer verschwanden wusste keiner von uns zu sagen. Nur ab und an stolperten wir über versteinerten Körper am Strand. In der Niedrigsaison überließen die meisten ihre Läden dem Monsun, im Schutz der Rollläden. Nach dem Schnorcheln kleidete mein Oberkörper sich in einen Schutzfilm aus Meerwasser, meine nassen Harre hinterließen Tropfen auf den geöffneten Seiten meines Buches. Die Milde des Abends überraschte mich, die Sonne stieß erschöpft ins Meer und die Wellen trugen ihr Blut eine Ewigkeit bis an unsere Füße. Nach Sonnenuntergang lebten die Restaurants auf und füllten sich mit dem Geräusch von murmelnden Stimmen und dem Rauschen der Wellen. Unsere Gaumen waren geschärft für die Gegenwart des Lebens. Der Tag versank in milden Currys und der Sentimentalität und Schläfrigkeit des Whiskeys.

Ko Phangnan begann mit dem Regen der Nacht, den Pfützen auf dem Markt und dem Trommeln der Wellblechdächer vor verschlossenen Ladeneingängen. Bei meiner Ankunft auf der Arche Noah: Lange Linien aus Matratzen, während sich das Klatschen der Wellen mit den Rufen der Hafenarbeiter und dem geschäftigen Piepen des Krans  mischte. Die nassen Kleidungsstücke, wie leblose Körper, ihre verlorene Energie die mich durchdrang, als behagliche Schläfrigkeit in meinem kratzigen Wollpullover. Später überrannte eine in fishermen trousers uniformierte Besatzung das Schiff, die lärmend einen hedonistischen Hafen ansteuerte.

Uferlos ohne Bindung in den Morgenstunden am Strand, fiebernd, suchend nach sozialem Bezug und einem  Hinweis auf mein Obdach, die letzten Alltagskrankheiten ausgeschlafen. Marcia hat in Yogaschulen Harmonie studiert. Meine Gastgeberin ist gelernte Lebensretterin. Wenn das Leben sie verwirrt, schlägt sie die Antworten in ihrem Esoterikduden nach, wie Fremdwörter. Aber die Fragen kommen nicht mehr oft, denn der Drang zum Überschwemmen sei ein altersbedingter Sturm, der einen ans Ufer des meditativen Begräbnisses spült.

So verträumte ich die Woche vom inneren Frieden infiziert auf einer Terrasse mit Radio. Im Leerlauf Aktivität vorgetäuscht, bis Vollmond. Die Versuche von Struktur zerfaserten sich. Als der Schweiß, den die Berge der ersten Fahrradtour mir aufs Gesicht geschrieben hatten getrocknet war, waren wir vier die sich die Strände hinauf badeten. Chorita, Arnab, Dana und ich. Um uns herum verkaufte man flaschenweise Motorradbenzin als Narzissmusdoping für Engländer auf ihrem durchgeplanten Abenteuer.

Dann begannen die Vorbereitungen auf Vollmond, doch er kam und ging wie jede Party.  Und erst als neugeboren das bleiche Gesicht des Morgengrauens hinter dem Horizont aufloderte, begann ich traumwandelnd und schwärmerisch durch die Leichenberge transzendentaler Experimentdesaster zu wandeln. Mit Lippen, die noch brannten, ausgedörrte Pflugscharten nach der Dehydrierung der Nacht. Ich war nicht alleine gewesen während dieses schattenstillen Winterschlafes. Und floh mit Wachsflügeln vor der Wirklichkeit, mit einer leichten Sommerbrise.  Die Welt aus einer anderen Perspektive erleuchtet. In der Hängematte, meine Füße höher als der Kopf. Die letzten Ereignisse durch das Scherbenmosaik fluoreszierender Verschwommenheit. Und all diese kurzen Belichtungen, die wie entrückte Traumsequenzen im Gedächtnis standen, von denen niemand sagen konnte welcher wunderlichen Parallelwelt sie entstammen. Der monotone Singsang meines Gehirns, der langsam hinüberglitt in eine gleichmütige wahre Harmonie.

Seit diesem Erwachen, trotz Barfüßigkeit die Gravität betrogen und Samt über mein Dasein gegossen. Ein Tanz ohne Ernsthaftigkeit mit jedem Traum, der mich am Leben hielt. Am Strand, im Rücken die Kühle eines Felsens in den nächsten Sonnenuntergang geblickt. Mit geschlossenen Augen im Schneidersitz sich auf gelbem Sternenstaub in Ruhe gebettet. Warten auf den Verlust des Gleichgewichts, wenn das Herz nicht hoch genug schlägt.

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