Von westlichen vermögenden bleichen farang überlaufen erweist sich Ao Nang am nächsten Tag als ausweglose Falle für Anhalter. Die wenigen Fahrzeuge, die ihre Geschwindigkeit für uns verlangsamen verweisen uns auf die in kurzen Abständen vorbeifahrenden Pick-up Busse. In Krabi haben wir kaum mehr Glück. In nächster Nähe zur Busstation quellen die Straßen über vor aufdringlichen Tuk-Tuk Fahrern, sonnenbebrillten braungebrannten Männern in roten Wesen, die einem schon aus weiter Entfernung ihr akzentbehaftetes „Where you go“ entgegen schreien, tadellos gekleideten Taxifahrern, deren Fahrzeuge kaum von Privatwagen zu unterscheiden sind. Am Abend gelangen wir schließlich, verschwitzt, müde und erschöpft zu einem winzigen Nationalpark, im Herzen der bewaldeten Provinz von Phang Nga, deren öde von mächtigen Felsen überschattete Provinzhauptstadt kaum ihren Namen verdient. Einsam, unentdeckt von den Massen an Billigurlaubern liegt der Sa Nang Manora Forest Park abseits des Highways, am Ende einer Nebenstraße, die sich in Serpentinen in eine Talmulde schlängelt, während auf beiden Seiten die Anzahl von lokalen Lebensmittelladen abnimmt.
Nach einem Bad im eiskalten Flusslauf, in einem erstaunlich tiefen natuerlichen bassin unterhalb eines Wasserfalls begeben wir uns auf den Weg in das grüne Dickicht des Urwalds. Der dünne betonierte Weg verdünnt sich zu einem von Fan und Gestrüpp überwucherten Pfad, der sich durch ein Netz kleiner Bachläufe hindurch schlängelt. Immer wieder kreuzen diese kleinen Flussläufe unseren Weg und zwingen uns durch das eiskalte Wasser zu waten oder über tote Baumstämme ans andere Ufer zu balancieren. Zu unserer Linken schießt eine steile Felswand in den Himmel, in deren Gestein sich geheimnisvolle Höllen, schwarze lichtlose Löcher auftun. Das Geräusch von Wasser, millionenfach gebrochen an den Wänden dieses Unterwelten, sprudelnd in unsichtbarer Tiefe. Immer weiter führt uns die ausgewaschene Ahnung menschlicher Existenz in diese stille Welt der Lianen hinein, während die Stahlen der Sonne sich langsam zurückzieht aus dieser Schattenwelt. Imposant umspannen die Wipfel der Mangroven dieses atmende Universum und degradieren die Kraft des Himmelsköpers zu einem düsternden Dämmerlicht. An einigen Stellen sind wir gezwungen uns über große Felsen zu klettern, verzweifelt hoffen, dass uns dieser Rundweg noch vor Einbruch der Dunkelheit aus diesem grünen Meer entlassen werde. Je mehr das verbleibende Licht schwindet, umso mehr Stimmen scheinen zu erwachen im Dickicht um uns herum. Unerwartet endet der Pfad an einem kleinen Rondell, an dem einige steinerne Bänke sich um einen einsamen runden Tisch gruppieren. Unter einem Decke aus Moos versteckt sich ein zugewachsenes Hinweisschilddein, deren Lettern zu einem großen Teil abgeblättert sind. Trotz der Zerstörung durch Alter und Feuchtigkeit bleibt kein Zweifel an der Botschaft dieses Schildes: „This way ends here“.
Durch das Zwielicht des Halbdunkels hasten wir zurück, stolpern über Wurzeln und hasten über spitze Steine hinweg, dem Ausgang des Parks entgegen. Das letzte Licht schwindet, als wir, aus dem Wald tretend, den einsamen von Bäumen umstandenen Wendeplatz erreichen. Auf einer Bank sitzend, beobachten wir die Familie des Parkwächters, solitäre Gestalten in den letzten Zügen vor der Bettruhe, Schemen hinter den Gardinen. Zu der Melodie des aufgewühlten Wildbaches die letze Fluppe des Tages geraucht, während die Laubdächer der Mangroven in dunkler Vorahnung ihre Köpfe im Wind wiegen.
Als ich mich am nächsten Morgen aus dem Zelt wälzte, verfinsterte ein tiefhängender schwarzer Schleier den Himmel. Als ich mich ins eiskalte Wasser des Teiches hinabließ, ergossen sich ohne Ankündigung die übervollen Bäuche der Wolken auf die Wipfel der Bäume. Während der wenigen Minuten meiner Rückkehr verwandelten die nicht mehr in ihren Becken gehaltenen Tümpel den Wald in ein Netz überquellender Bäche, die Erde aufgeschwollen zu einem sumpfigen Morast. Von einem Unterstand aus betrachteten wir unser Zelt unter den Fluten brechen, einige Kleidungsstücke ruhten verloren auf einigen Steinen. Zwei völlig verzweifelte Wanderer, die erbärmlich frierend fassungslos ihre aufgeweichten Bücher betrachteten.
Als der Regen des unermüdlichen Trommelns auf das Blechdach müde war, machten wir uns zu Fuß an den Aufstieg zur Überlandstraße, vorbei an einer Welt die gerade aus einer tiefen Ohnmacht zu erwachen schien. Die Farbe des Grases schien ungewöhnlich Grün und Saftig, die Vögel lärmten lauter als gewöhnlich und der Straßenbelag qualmte unter den fahlen Strahlen der Sonne. An einer unbelebten Abzweigung, keine zwanzig Kilometer von unserem Ziel entfernt, ereilte uns das Unglück des Niederschlags aufs Neue. Ebenso unerwartet wie am Morgen stürze ein Platzregen auf uns nieder, einige wenige vorbeirauschende Fahrzeuge, dessen Spritzwasser unsere Kleidung befleckte, schließlich ein winziger Unterstand, nah einer unbemannten Polizeistation. Eine triste Landschaft zieht auf den letzten Kilometern an uns vorbei, vereinsamte Kühe, die an ihre Pflöcke gefesselt am Straßenrand grasen, die Berge des Kao Soak National Parks, die im Nebel versinken, die grünen Halme der Reisfelder, die im Braun des Schlamms untergehend, ihre Köpfe im Wind wiegen. Aus dem undurchdringlichen Dunst erheben sich drei riesige graue Schatten, Elefanten stapfen den Kopf gesenkt, den Rüssel müde herunterhängend an uns vorbei, todtraurige Augenpaare, die mich hinter der Fensterscheibe mustern.
Wir verblieben zwei Tage im Kao Soak National Park, zwei Tage in denen wir vertrauensvolle Blicke zum Himmel warfen, im Vertrauen, dass die nicht enden wollenden Aufwallungen schwarzer Düsternis sich auflösen werde, von der Hoffnung getragen wurden, dass unsere Klamotten trotz von Humidität durchtränkten Luft endlich trocknen würden. An der Ausfahrtsstraße zum Parkeingang reiht sich in Kao Soak die, für von Touristen frequentierte Plätze, charakteristische Ansammlung an Minimärkten, Restaurants, Chill-Out Bars, Bungalowanlagen und Massagestudios auf, auf Holzfeiler ruhende Gebäude mit bunten handbemalten Schildern. Auf der Straße wandern vereinzelte Gestalten mit müden Gesichtern in Regenponchos, ansonsten scheinen sich nur wenige Urlauber in der Nebensaison an diesen Ort zu bequemen.
Es gibt wenig zu tun in diesen zwei Tagen: Regenschauer folgt Regenschauer, die Abende verbringen wir umgeben von Chang-Bier an einer Theke gelehnt, ein Auffangbecken für Deserteure der westlichen Welt, die ihren Werktag in Europa eingetauscht haben für ein Leben auf Wanderschaft: Auf den Tresen gestützt nippt ein schlaksiger Mann mit schwarzem stoppeligem Bart, dessen Gesicht eingenommen wird durch gelockte schwarze lange Zotteln an seinem Bier, ein Ire auf der Durchreise, der uns gedämpft von seiner Arbeit als Lehrer im Vietnam erzählt, ein Österreicher der sich als Touristenführer verdingt schwärt von der Leichtigkeit des Lebens, ein amerikanischer Fotograph, mit seiner Maschine auf dem Weg zu einer Bilddokumentation in Phuket. Zu unserem besten Freund wurde in diesem Tagen ein Thailänder mit deutschen Wurzeln, der selbst mehrere Jahre in Deutschland wohnte.
Es ist nicht ganz ersichtlich, woraus dieser Sport seine Faszination zieht, zumal an einem solchen kühlen und regnerischen Tag. Eine Ansammlung von Personen über das Geländer einer Brücke gebeugt, seltsam entblößt, nur mit Badehose oder Bikini bekleidet, in mitten dieser nasskalten ausdruckslosen stumpfen Umgebung, blicken in die braunen sich zerreißenden Katarakte unter sich. Große schwarze Reifen werden zu Wasser gelassen, in deren Mitte sich die Teilnehmenden wie Schiffbrüchige ausnehmen, die planschend unpräzise Armbewegungen vollführen und sich damit abmühen einen Zusammenstoß mit anderen Pneus oder dem dichten Dickicht zu beiden Seiten des Flusses zu verhindern. Ich treibe auf dem Wasser dahin, Gedanken verflüchtigen sich, der Körper verfällt in eine träge Müdigkeit und Gelassenheit. und Hinter einer Kurve schlängelt sich das Gewässer an einem Felsmassiv vorbei. Zum Fluss weißt das rissige Gestein eine Höhlung auf eh es jäh senkrecht in die Höhe steigt. Mühsam reißen wir uns aus der, durch die vom Niederschlag erstarkte Strömung los, erstiegen den glitschigen scharfkantigen Stein. Fröstelnd versinke ich in der Betrachtung des angeschwollenen schmutzigen Stroms, seiner Wirbel und Strudel, in seinen Strömungen und Trübungen und dem mitgeführten Laubwerk. Auf der Rückfahrt, die Zigarette versöhnt mit Schauder und Zähneklappern, löst sich die Entkräftung in gelöster redseliger Heiterkeit auf.
Am Nachmittag streife ich mir meine klamme Jeans über, ziehe meine vor Dreck verfärbten Chucks über die klammen Socken, reibe meine Haut mit angefeuchtetem Tabak ein, ein unwohles Gefühl stellt sich ein in diesen steifen kleberigen Klamotten und begebe mich zusammen mit Julia in Richtung Parkeingang. Das Schicksal des Wetters holt uns keine Minute nachdem wir unsere Billets vor dem Kassenhäuschen in Empfang genommen haben abermals heim, ein gewaltiger Wolkenbruch prasselt auf uns nieder und durchweicht unsere ohnehin feuchte Kleidung. Unser Schuhwerk versinkt im aufgeweichten Morast, jeder Lufthauch schüttelt Millionen von winzigsten Tropfen von den Bäumen. Geheimnisvolle Pfade schlängeln sich in das Buschwerk. Ein muffig stinkender Odeur zeugt von der Anwesenheit von Tieren. Welcher Vierfüßler mag an jener Stelle wohl seine Pranke niedergesetzt haben? Ein Tiger, ein Elefant, ein Panter oder doch nur ein Affe? Dort wo die grauen Giganten dem Urwald ihren groben Stempel aufgedrängt haben, wird das Unterholz gelichtet durch zerborstene Bambusstangen, niedergetrampelte Sträucher, zerschlagenes Gesträuch. Im Schlamm, ihre Spuren: riesigen Fußstapfen als Fragmente, die die Vorstellung an durch den Urwald ziehende Familien dieser mächtigen Riesen beflügeln. Schmale Pfade führen zu kraftvollen Strömen, deren Wassermassen sich tosend in Kaskaden brechen. Entgegen des Mahnrufs des Hinweisschildes überqueren wir mühsam einen stark angestiegenen Wildbach, der sich einige Meter weiter herunterstürzt in eine Klamm. Wir wandern weiter auf einem winzigen Felssteig und bald wieder auf einem schmalen Pfad durch undurchsichtiges Tropendickicht. Ein Rascheln im Gestrüpp, Zweige die brechen, Sträucher die ahnungsvoll schwanken. Auf dem Rückweg vernehmen wir plötzlich ein Bersten von Ästen, eine Bande Affen erscheint in den Baumwipfeln über uns und nähert sich mit kecker frecher Furchtlosigkeit.
Das Wetter weigert sich weiter beharrlich sich zu bessern und so verlassen wir Kao Soak bei bewölktem Himmel, in ergebener Demut gegenüber weiteren Regengüssen. Der einstmals sauberen Wäsche entströmt ein feucht modriger Geruch nach Schimmel und Fäulnis. Der Autostraße 401 folgend erreichen wir schon relativ zügig Surat Thani, eine hässliche Transitstadt zwischen Chumphon und Nakhon Si Thammarat, angefüllt mit Banken und Stundenhotels. Ekel übermannt mich, nach dem wir die Glastür des Tesco Lotus durchschritten haben. Bankpolierte ockerfarbene Marmorimitationen fliesen den Boden, die klinisch saubere Luft scheint von jedem Odeur befreit. Mein Frösteln mag von der dauerbetriebenen Klimaanlage herrühren, nichts desto weniger übermannt mich ein Gefühl des Schams und der Trauer. Jedes Geschäft ein erneuter Beweis für die Begabung des Menschen sich immer wieder neuen materiellen Abhängigkeiten unterzuordnen. Nicht nur das Einkaufszentrum selbst, auch das Publikum gleicht mit seinen prall gefüllten Einkaufstüten unter dem Arm, seinen geschmacklos bedruckten T-shirts und namhaften Kunstlederschuhen in seinem unbedachten Geschwätzigkeit und seiner erschöpften Geschäftigkeit dem westlichen Äquivalent. Als die an uns vorbeirauschenden Fahrzeuge erneut ihre Scheibenwischer betätigen, die aufgewirbelten Pfützen gegen die Bordsteine spritzen und die Stadt in stumpfen Variationen von Grau versinkt, Springfluten vom Himmel stürzen und die Abflussrohre nicht aufhören zu gurgeln und röhren, finden wir Unterschlupf unter dem Blechdach einer Autowerkstatt. Ein freundlicher Mechaniker, vom Öl geschwärztes Hemd, zerrissene Jeans, vernarbte, rissige Hände offeriert uns Wasser, man teilt seine Zigaretten. Es breitet mir immer ein zutiefst wohliges Gefühl, geschützt im Trockenen die Welt bei ihrem Untergang zu betrachten.
Gefangen in der Anonymität. Nach einstündigem Warten entscheiden wir uns schließlich den Rest der Strecke mit dem Bus zurückzulegen. Unser Ziel: Ein namenloser Strand an der Ostküste im Süden von Ko Samui, ein winziger weißer Schirm, eingerahmt in einem schwarzen Rechteck auf unserer Karte. Die ewige Eintönigkeit der im trüben Dunst vorüberschleichenden bewaldeten Höhenzüge, das nervenaufreibende Anfahren, Schalten und Abbremsen, das zeitlose Zischen der Hydraulik, die endlos vorbeiziehenden Pavillons der Wartehäuschen am Straßenrand, die deprimierten Regentropfen an den beschlagenen Fensterscheiben reizen und zermürben unsere Empfindungsstränge. Und mit jedem Gedanken senkt sich die Dämmerung weiter über die öde Landschaft.
Die Nacht hat bereits ihren Anspruch unanfechtbar besiegelt, als uns die Ankündigung des nächsten Halts aus unseren bleierneren Empfindungen zerrt.Die Trostlosigkeit unserer Umgebung, der deprimierenden zweistöckigen Wohnhäuser und der unablässige Strom der vorbeischnellenden Kraftfahrzeuge ruft die Frage wach: „Was tun wir an einem solchen Ort?“ Weit und breit ist kein Meer zu sehen. Das einzige Hotel, ein abweisendes heruntergekommenes Gebäude scheint schon seit Jahren lehr zu stehen. Schlussendlich finden wir uns umgeben von Marktständen im Zentrum des Ortes. In großen gusseisenenden Töpfen schwimmen verschiedene Currys, auf Bratrosten schmorren Fisch und Würste. In kleinen Förmcheneisen erstarrt mehlige Knetmasse zu überzuckerten Küchlein. Kaufmänner bieten Fruchtspieße feil, vor Obstständen begutachten Mütter mit kritischem Blick die Auslagen. Mopeds bahnen sich knatternd und hupend einen Weg durch das emsige Treiben. Ein fiebriges Gespräch mit einer der Marktfrauen später, jeder zuvorkommende Wunsch uns zu helfen scheint an der Aussichtslosigkeit sich zu verständigen zu scheitern, stehen wir an der Intersection in Richtung Ozean.
Verloren scheint jedes Bemühen noch an diesem Tag die See zu erreichen, zu spät die Stunde, als dass sich die Menschen auf ihrem Weg von der Arbeit zweier einsamer Rucksackreisender annehmen würden. Diesmal ist es ein Schutzmann, der uns, sich seiner sozialen Verantwortung erinnernd, seinen Motorroller am Straßenrand abstellt. Und immer wieder diese Unsicherheit, nachdem man sich in fremde Hände begeben hat. Was wird passieren? Es bleibt nur zu warten, während sich die Ehefrau um einen sorgt, man telefoniert, findet sich auf der Polizeistation wieder. All diese Mühen und was währe am Ende anderes moralisch vertretbar, als schlussendlich dem Ermessen der Thais stattgebend, im Resort zu schlafen. Höchstwahrscheinlich verdankten wir es nur der Autorität unserer Begleitung, dass es uns an diesem Abend erlaubt war unser Zelt auf der überdachten Terrasse zwischen zwei Bungalows aufzuschlagen.
Eine Pagode, an ihrer Rückseite eine Stellage auf der eine versteinerte Buddha Statue eingefasst von brennenden Kerzen und Blumenvasen hockt, einige verzottelte Rüden auf dem Bürgersteig, dahinter ist deutlich die Brandung der See zu vernehmen. Nasser Sand zwischen den Zehen, eine Mole aus aufgeschüttetem unförmigem Stein ragt tief ins Meer. Die blinkenden Positionsleuchten von Fischerbooten durchbrechen die Düsternis der Nacht, manchmal zerrüttet das Klagen eines Triebwerks das Schweigen der Nacht. Heftige Böen blasen vom Meer herein, vom Festland flimmern einige wenige verloren Lichter zu uns herüber.
Beim Einkauf des Frühstücks am nächsten Morgen, den Bodensatz des Schlafes noch in den Augenwinkeln: den Fangertrag verladene Fischer, wettergegerbte runzelige Gesichtszüge, paffend eine Zigarette im Mundwinkel an den Kais, einige staubige Piers auf denen zerrissene Netze und abgewetzte Reepen und Taue einen Hinweis auf ihre einigste Aufgabe geben, Plastiktüten wehen über das zubetonierte Gelände, abgenagte Fischabfälle schlafen verlassen auf dem Erde.
Ein Fuß, der vorsichtig ins Wasser eintaucht, ein wehmütiges geheimnisvolles Funkeln in den Augen. Ein kurzer Blick zum Horizont. Kein Verlangen große Flüsse zu überqueren, Fußspuren im Sand als flüchtige Erinnerungen, bedächtiges Herum streifen ohne Ziel, der blauen Linie des Glücks folgend. Als mir meine Probleme entfielen, begriff ich, dass das Kommende in der Zukunft liegt. Wir aßen unsere Sorgen zum Frühstück. Wir ließen unsere Seele so einfach baumeln, wie unsere Beine, die wir über den Felsenriffen hängen ließen. Wir stapften über überwuchernde Saumpfade (Fischer grüßten uns von ihrer Jolle), am Strand bleibt Sand zwischen den Zehen haften, bunte Tücher wehen am Bug der Barken, vereinzelte Resorts liegen brach am Gestade, rätselhafte Ruinen aufgegebener Fischfarmen. Eine Erscheinung an der Küste: Ein Mädchen mit langem kohlenähnlichem Haar, auf ihrem Oberteil prangt eine große schwarze Katze. Ihr kleiner Bruder flitzt ihr voraus, vorwitzig umspringt er die beiden farang. Schüchtern wacht sie mit Liebe über den kleinen Zwerg, ihr folgen aufeinanderfolgend fünf winzige Katzen, die jedem ihrer Schritte nachfolgen.
Während ich mich meinem Tabak widme, erklärt sich Julia bereit ein Restaurant auszukundschaften. Wie aus der Einladung zu einem Glas Wasser ein zweitägiger Aufenthalt in der Dorfgemeinschaft werden konnte ist ohne ein Bewusstsein über das muslimische Verständnis der Gastfreundschaft eigentlich nicht zu verstehen. Diese Entwicklung gehört sicherlich zu einem der wundervollsten Erlebnisse während meines Aufenthalts, die mich am meisten für die Kultur eingenommen hat. Wer würde in unserer Gesellschaft auf die Idee kommen seine Mahlzeiten mit zwei völlig fremden Reisenden zu teilen, die zudem seiner Sprache nur partiell mächtig sind, seinen Bungalow an abzutreten und einen Großteil seiner freien Zeit mit ihnen zu teilen. Diese letzten Tage unserer Reise lassen sich am schwersten in Worte kleiden: Wie diese Stunden beschreiben, die wir rauchend und schmausend mit dem Versuch zubrachten uns mitzuteilen, das befreiende Lächeln der Familienmitglieder, die in gemeinschaftlichen Miteinander ihr Essen einnahmen, all die zusammen verzehrten kanoums, chajens und gafees, der Ausflug auf den Markt im Motorradhänger, die Kokosnüsse, die man nur von den Palmen zu trennen brauchte um ihren Saft abzugießen, die sich in Schauern entladene Luft nach der Schwüle des Nachmittags, während derer jeder still dahockt und der Melodie der zerbrechenden Topfen lauscht. All dies folgte einem aus Kok Payom längst bekannten Metrum, stellte ein längst geläufiges Gleichmaß dar, trotzdem erfüllte mich das Verweilen an diesem Ort in einem besonderen Maße. Ich war in diesen Tagen erfüllt von dem behaglichen Gefühl, nach einer Zeit in der Fremde an einen längst bekannten Ort zurückzukehren, gleichwohl ich noch nie in diesem Dorf gewesen war. Wir wären sicherlich noch länger verweilt, wenn wir gekonnt hätten, doch zwang uns die Tätigkeit Julias zu frühzeitigen Aufbruch. Es war kurz vor unserer Abreise, wir warteten gemeinsam mit unseren Gastgebern auf das Auftauchen eines Busses, als ich die Klarheit erlangte, dass ich ein Stück Heimat gefunden hatte.