Uplifter

Zwei Monate in Kok Payom ohne einen Break in der monotonen Melodie des Alltags. Der Rückfall in die europäische Angewohnheit, dass Leben kontrollieren zu wollen, dem Diktat des berechnenden Geist zu unterwerfen: ein schleichender Prozess. Gefangen wieder in gedachten To-Do Listen, jede Sekunde das Äquivalent einer Pflicht. Vom Frühstück bist zum Abendessen wird der Tag auf seine Berufung reduziert, auf jedem prangt zu Beginn der freudlosen Stempel „Aufgabe“.

Warum sich nicht einfach rückwärts fallen lassen in den Tag. Es wäre so einfach. Und immer fängt er dich behutsam auf und wickelt dich sachte in seine Stunden.

Reflexion, Reaktion, Revision: Das neue Jahr eine Gelegenheit seine Sendefrequenz zu justieren, das Aufsetzen meiner rosa Kontaktlinsen: völlig überflüssig. Just spin your UKW a little bit: Wenn du weniger rauschst, triffst du den Ton besser. C’est juste une question d’attitude.

Wenn ich in meiner Hängematte die Augen schließe, überkommt mich oft der Gedanke, ich befände mich auf einer kleinen Schaluppe. Bei Sturm wirft sie mich aus ihrer Annehmlichkeit – zum Glück. Gerüchte über das Anrollen eines Tsunami? „Unsinn“ winken die villager ab.

Und dann soll Weihnachten und dann soll Sylvester… Ich wundere mich, wie das möglich sei, wie die Zeit vorbeizieht, die Wolken: Große gemächliche graue Elefanten. Ich frage mich: „Wer hat den Schnee versteckt?“ Stattdessen bleibt das Wetter nasskalt dieser Tage.

Michael schneit kurz vor Weihnachten in Kok Payom ein, zerstört den trivialen Trott. Auf seinen Schultern ein Rucksack voller süßer festlicher Vorahnung, im Kopf einen fertigen Plan neuer Ideen zur Umsetzung. Ein Ruck kurz vor dem Rutsch.

Die Finger der Schatten der Kerzen an den Wänden, greifen nach menschlichen Körpern, ruhen auf einer Plastiktanne. Im gespendeten Zwielicht manifestiert sich eine kleine Gruppe von Menschen, sowohl Thais als auch farangs, die sich im Kreis um Tafeln Schokolade und Spekulatius versammelt hat. Und dann dürfen auch in diesem Jahr Geschenke in kindlichem Übermut von ihrer Glitzerfolie befreit werden. Leuchtende Augen, alle Jahre wieder und aus irgendeinem Grund beruhigt eine diese Kontinuität, als hätte sich nichts verändert innerhalb der letzten zwanzig Jahre. Am Ende des Abends: erfüllt von einem wohligen sentiment der Wärme, dass nicht der Wirkung von Michaels Aufgesetztem geschuldet ist. 

Pauline, Sophie, Jakob und ich: vier konzentrische Wellenkreise, die sich an den gleichen Stellen berühren, eingespielte Bewegungen und altvertrautes Gleichgewicht. Eine Dynamik, die durch die Ankunft der Freiwilligenurlauber zum Inselbesuch durcheinandergewirbelt wird. Eine Chance für Neuerung, der Aktionsplan liegt bereits ausgebreitet vor uns. Der salah füllt sich auf mit Leben, pumpt sich satt mit Energie. Press the red button. The new level is starting! Ich liege dieser Tage einstweilen krank im Bett, derweil scheint mein Wille das Einzige mir zugehörige, was sich noch nicht verflüssigt hat.

Das Land des Lächelns entschließt sich, während unseres Aufenthalts auf Ko Lidee im auslaufenden Jahr, sich noch einmal auf seinen Ruf zu besinnen: sich pellende Haut unter unseren Nägeln, Salzkrusten an unseren Badehosen und Sandkörner in unseren Haaren als Relikte unseres Aufenthalts. Der Geruch von Whiskey und Alkalimetalle verbindet sich in meiner Nase zum Konglomerat des letzten Moments in 2010. Über uns schwebt ein anderer Himmel, frei von Trübung: ein Meer aus tausenden kristallenen Perlen.

Urwald, Sandstrand, eine winzige grüne Ellipse, umgeben von blauer Negativfläche. „Pfatsch“, „Pfatsch“ schlappen unsere Flip Flops durch den Sand, Körner beim Abschuss unserer Fußballen auf sich selbst zurückwerfend. Und der letzten Seite dieses Buches folgt die erste Seite des nächsten,

und des nächsten…

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